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Oberlandesgericht Karlsruhe zu den Voraussetzungen eines Gegendarstellungsanspruchs gegen eine Fotomontage und die Aussage "zu Tränen gerührt"

Datum: 21.03.2011

Kurzbeschreibung: 

Gegenstand zweier Verfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe ist eine Veröffentlichung in der Illustrierten „neue woche“ über einen bekannten Journalisten und TV‑Moderator. Das Heft der „neuen woche“ vom 15.10.2010 zeigt auf der Titelseite ein Bild des Klägers neben seiner Ehefrau, abgebildet vor einem aus grünen Blättern zusammengesetzten Hintergrund, darunter steht in großer Schrift „G. J. & seine T. ‑ Triumph & Tränen! ‑ Alles über sein geheimes Privatleben“. In dem Heft wird in einem Artikel unter nahezu gleichlautendem Titel nach Erwähnung des Einstiegs des Klägers in das Geschäft des Winzers ‑ „Winzerkönig“ ‑ und des Umstandes, dass der Kläger „höchstes Glück“ „tief im Herzen seiner Familie“ finde ausgeführt: „Sicherlich war er auch zu Tränen gerührt, als er vom Schicksal sozial benachteiligter Kinder in seinem Wohnort Potsdam hörte“, danach wird festgestellt, dass der Kläger das Kinderhilfsprojekt „Arche“ großzügig unterstützt habe.

Der Kläger hat in einem einstweiligen Verfügungsverfahren gegen die Verlegerin der „neuen woche“ vor dem Landgericht Offenburg den Abdruck einer Gegendarstellung begehrt, mit der er klarstellen will, dass es sich bei der Abbildung des Ehepaares J. auf der Titelseite um eine ohne sein Einvernehmen hergestellte Fotomontage handle, bei der zwei Einzelfotos auf einen Hintergrund mit grünen Blättern gesetzt worden seien. Der einheitliche Hintergrund suggeriere, das Paar habe sich im Freien gemeinsam privat fotografieren lassen.

In einem weiteren einstweiligen Verfügungsverfahren zu dem Artikel hat er den Abdruck einer Gegendarstellung beantragt, wonach er nicht zu Tränen gerührt gewesen sei, als er vom Schicksal sozial benachteiligter Kinder in seinem Wohnort Potsdam gehört habe. Er handle nämlich nicht aus reiner Rührung heraus als gewissermaßen Herzschmerzgeschichte für den Boulevard, sondern überlege sich genau, bei welchen Projekten er spende und bei welchen nicht.

Das Landgericht Offenburg hat in beiden Verfahren die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die Berufungen des Klägers hatten nur im Fall des „Zu-Tränen-gerührt-Sein“ Erfolg, nicht jedoch im Hinblick auf die Fotomontage.

Der 14. Zivilsenat des OLG Karlsruhe ‑ Außensenate in Freiburg ‑, der u.a. für das Presserecht zuständig ist, hat in dem Verfahren betreffend die Fotomontage ausgeführt, dass sich grundsätzlich ein Gegendarstellungsanspruch auch gegen eine Bildveröffentlichung richten könne, wenn nämlich durch die Veröffentlichung des Bildes eine Tatsachenbehauptung aufgestellt werde. Auch aus Fotomontagen könnten sich gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptungen ergeben, sofern sich nicht aus der Gestaltung der Fotomontage offensichtlich ergebe, dass es sich um eine Montage handle.

Der vom Kläger begehrte Gegendarstellungsanspruch stehe ihm jedoch nicht zu. Es könne dahinstehen, ob die Abbildung beim Leser den Eindruck erwecke, es handle sich um ein im privaten Bereich des Klägers - etwa in seinem Garten - entstandenes Foto. Die beantragte Gegendarstellung stelle nämlich keine Entgegnung auf eine so verstandene Tatsachenaussage der Abbildung dar, sondern sie beschränke sich auf die Eigenart der Herstellung der Abbildung als Zusammensetzung aus Einzelbildern und wende sich allein gegen den Eindruck einer einheitlichen Fotoaufnahme. Hier sei eine Aussage der Abbildung dahin denkbar, dass der Kläger sich entgegen seiner sonstigen Haltung zusammen mit seiner Ehefrau im Privatbereich habe ablichten lassen. Solche Tatsachenaussagen könnten bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen gegendarstellungsfähig sein. Demgegenüber bestehe auf die vom Kläger begehrte Veröffentlichung der bloßen Gegenerklärung, es handle sich um eine zusammengesetzte Abbildung, kein Anspruch, weil sie sich nicht gegen eine aus der Montage abzuleitende Aussage richte.

Im Übrigen würde es hier auch an einem berechtigten Interesse an der begehrten Veröffentlichung fehlen, da er lediglich geltend mache, durch die Abbildung könne der Eindruck entstehen, dass er entgegen seiner grundsätzlichen Haltung erlaubt habe, dass die fotografische Abbildung in seinem Privatbereich gefertigt worden sei. Dies lasse eine nennenswerte Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts nicht erkennen, zumal wenn man berücksichtige, dass der Kläger schon Ausnahmen gemacht und sich zur Anfertigung und Veröffentlichung von Fotografien mit privatem Einschlag, wie etwa der auf seinem Weingut gefertigten Fotostrecke, bereitgefunden habe.

Im zweiten Verfahren hat das Oberlandesgericht die beklagte Verlegerin zu der Veröffentlichung der Gegendarstellung verurteilt. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 BadWürttPrG sei der Verleger eines periodischen Druckwerks zum Abdruck einer Gegendarstellung verpflichtet, soweit der den Abdruck Verlangende durch eine Tatsachenbehauptung betroffen sei. Die beanstandete Passage sei als Behauptung einer (äußerlich wahrnehmbaren) Tatsache einzuordnen. Wenn jemand „zu Tränen gerührt“ sei, besage dies mehr als eine tiefgreifende emotionale Affektion, die ganz im Innern des Betroffenen bleibe. Ein sicher beträchtlicher Teil des Publikums verbinde mit dieser Formulierung das Bild eines Menschen, der nicht nur beinahe, sondern der auch tatsächlich geweint habe. Zumindest werde erwartet und vorausgesetzt, dass die betroffene Person jedenfalls ganz kurz vor dem Ausbruch der Tränen sei und dass dies auch spürbar, wenn nicht sogar sichtbar sei, die Stimme einer solchen Person werde unsicher, ihre Augen seien gerötet und feucht und vielleicht trete ‑ obwohl die Person gegen die Emotion ankämpfe ‑ die eine oder andere vereinzelte Träne doch schon hervor. Es handele sich also um körperliche Vorgänge, die nicht im Inneren des Menschen verblieben, sondern ohne Weiteres im Wege einer Beweisaufnahme einer Feststellung zugeführt werden könnten. Der Umstand, dass die strittige Äußerung mit dem Wort „sicherlich“ eingeleitet werde, stehe der Annahme einer Tatsachenbehauptung nicht entgegen. Einschränkende Zusätze dieser Art reichten grundsätzlich nicht aus, dies lediglich als Meinungsäußerung zu qualifizieren. Im ersten Teil des Artikels werde der Leser mit harten Fakten zur TV‑Karriere des Klägers konfrontiert. Auch der nur durchschnittlich aufmerksam und informierte Leser werde konstatieren, dass ihm diese Fakten wohl bekannt seien und auch tatsächlich zuträfen. Die dadurch beim Leser gewissermaßen hervorgerufene „Sogwirkung der Faktizität“ dränge ihm unter diesen Umständen geradezu auf, dass dann aber auch wohl der zweite mit „Tränen“ zu überschreibende Teil des Artikels ungeachtet des vorangestellten „sicherlich“ seine Richtigkeit habe und ebenso im Faktischen verwurzelt sein werde wie der Auftakt.

Rechtsmittel gegen diese Entscheidungen sind nicht gegeben.

 

Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 11. März 2011 - 14 U 185/10 - („Tränen“)

Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 11. März 2011 - 14 U 186/10 - („Fotomontage“)

 

§ 11 Landespressegesetz Gegendarstellungsanspruch

Abs. 1: Der verantwortliche Redakteur und der Verleger eines periodischen Druckwerks sind verpflichtet, eine Gegendarstellung der Person oder Stelle zum Abdruck zu bringen, die durch eine in dem Druckwerk aufgestellte Tatsachenbehauptung betroffen ist....

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