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Umstellung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes - Oberlandesgericht Karlsruhe erklärt nachgebesserte Regelung der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBLS) für rentenferne Versicherte für unwirksam

Datum: 19.12.2014

Kurzbeschreibung: 

Die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) zahlt den Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes eine Zusatzrente. Durch Neufassung ihrer Satzung im Jahr 2002 hat die VBL nach einer entsprechenden Einigung der Tarifvertragsparteien ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31.12.2001 umgestellt. Das bis dahin geltende, an der Beamtenversorgung orientierte Modell der Gesamtversorgung wurde durch ein beitragsfinanziertes Punktemodell ersetzt. Die Satzungsänderung vom 22.11.2002 enthält Übergangsregelungen für die von den Versicherten bis zur Systemumstellung erlangten Rentenanwartschaften. Diese werden wertmäßig festgestellt und als so genannte Startgutschriften übertragen.

Bereits die Satzungsänderung 2001 war von vielen Versicherten vor den Gerichten angegriffen worden. Mit Urteil vom 14.11.2007 - Az. IV ZR 74/06 - hat der Bundesgerichtshof die Systemumstellung an sich gebilligt, die Startgutschriftenregelung der VBLS für ca. 1,7 Millionen rentenferne Versicherten allerdings für unwirksam erklärt. Rentenfern sind nach der VBLS Versicherte, die am Stichtag der Systemumstellung, dem 31.12.2001, noch nicht 55 Jahre alt waren. Mit Rücksicht auf die grundgesetzlich geschützte Tarifautonomie hatte der Bundesgerichtshof es den Tarifvertragsparteien überlassen, eine verfassungskonforme Neuregelung für die Startgutschriften der rentenfernen Versicherten zu schaffen.

Die Tarifvertragsparteien einigten sich am 30.05.2011 auf eine tarifvertragliche Regelung, die von der VBL in ihre Satzung umgesetzt wurde. Demnach wird eine Vergleichsberechnung, die sich an der Regelung des § 2 Abs. 1 S. 1 BetrAVG (Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung) orientiert, durchgeführt. Zu einer Erhöhung der Startgutschrift aufgrund dieser Vergleichsberechnung kommt es nach der neuen Satzung jedoch nur dann, wenn diese um mehr als 7,5 Prozentpunkte höher ist als der bisherige Wert. Auch diese Regelung hat eine Klagewelle vor den Zivilgerichten ausgelöst. So sind allein vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe über 400 Berufungsverfahren anhängig.

Der für Versicherungssachen zuständige 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe hat am 18.12.2014 zunächst in 54 Verfahren entschieden, dass auch die neue Regelung nicht verfassungskonform ist. Die vom Bundesgerichtshof bereits im Jahr 2007 festgestellte Ungleichbehandlung von rentenfernen Versicherten mit längerer Ausbildungsdauer sei für eine Vielzahl von Versicherten nicht beseitigt worden. Eine Verpflichtung der VBL zur Zahlung einer höheren Betriebsrente hat der Senat nicht ausgesprochen. Im Hinblick auf die grundgesetzlich geschützte Tarifautonomie bleibt es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, eine verfassungskonforme Regelung zu finden. Der Senat hat allerdings darauf hingewiesen, dass die Versicherten nach rechtskräftigem Abschluss der Verfahren eine erneute mehrjährige Prüfungsphase nicht hinnehmen müssten. Die Entscheidungen sind nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof in allen 54 entschiedenen Fällen wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.

 

§ 79 VBLS (auszugsweise)

 …(1a) Bei Beschäftigten, deren Anwartschaft nach Absatz 1 (rentenferne Jahrgänge) berechnet wurde, wird auch ermittelt, welche Anwartschaft sich bei einer Berechnung nach § 18 Abs. 2 BetrAVG unter Berücksichtigung folgender Maßgaben ergeben würde:

1. Anstelle des Vomhundertsatzes nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 BetrAVG wird ein Unverfallbarkeitsfaktor entsprechend § 2 Abs. 1 Satz1 BetrAVG errechnet. Dieser wird ermittelt aus dem Verhältnis der Pflichtversicherungszeit vom Beginn der Pflichtversicherung bis zum 31. Dezember 2001 zu der Zeit vom Beginn der Pflichtversicherung bis zum Ablauf des Monats, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird. Der sich danach ergebende Vomhundertsatz wird auf zwei Stellen nach dem Komma gemeinüblich gerundet und um 7,5 Prozentpunkte vermindert.

2. Ist der nach Nummer 1 Satz 3 ermittelte Vomhundertsatz höher als der bisherige Vomhundertsatz nach
§ 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 BetrAVG, wird für die Voll-Leistung nach § 18 Abs. 2 BetrAVG ein individueller Brutto- und Nettoversorgungssatz nach § 41 Abs. 2 und 2b d.S.a.F. ermittelt.

 

§ 2 Abs. 1 S. 1 BetrAVG (Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung - auszugsweise)

 

Bei Eintritt des Versorgungsfalles wegen Erreichens der Altersgrenze, wegen Invalidität oder Tod haben ein vorher ausgeschiedener Arbeitnehmer, dessen Anwartschaft nach § 1b fortbesteht, und seine Hinterbliebenen einen Anspruch mindestens in Höhe des Teiles der ohne das vorherige Ausscheiden zustehenden Leistung, der dem Verhältnis der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu der Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht; …

 

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 18.12.2014 - 12 U 104/14

 

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